„Ich suche pedalfreundlichen Gitarrenverstärker (Amp) ! Wer kann mir helfen ?“
So, oder so ähnlich, habe ich das in den Gitarren-Foren dieser Welt schon tausende Male gelesen.
„Also mein Verstärker XY kommt prima mit Pedalen klar! „
Aha.
Wäre es nicht schön, mal eine Vorstellung davon zu bekommen, was einen pedalfreundlichen Amp eigentlich ausmacht ?
Wir könnten dann gezielter danach suchen.
Die endlosen Aufzählungen von „Mein XY Amp ist super – kauf Diesen!“ könnten wir getrost ignorieren.
Und überhaupt :
- Was soll „pedalfreundlich“ eigentlich heißen ?
- Sind einige Gitarrenverstärker irgendwie besser zum Vorschalten von Pedalen geeignet als andere ?
Wir werden das hier herausfinden.
Bevor wir tiefer in die Materie eintauchen, hier noch ein Wort zur Klarstellung:
Ich bin kein ausgesprochener Pedal-Experte. Die folgende Diskussion beruht ausschließlich auf meinem Wissen über Röhrenverstärker, deren Design und was in der Praxis passiert, wenn ich meine eigenen Pedale vor diese davor hänge. Es ist meine Absicht, den technischen Aspekt von „pedalfreundlich“ etwas zu beleuchten. Vielleicht kommen wir der Antwort näher, was einen Pedal freundlichen Gitarrenverstärker ausmacht.
Los gehts :
Die Pedalfreundlichkeit eines Amps spielt bei der Kaufentscheidung vieler meiner Kunden eine große Rolle.
Zwar wird nie genau gesagt, was denn eigentlich genau mit Pedalfreundlichkeit gemeint ist, aber nach längerem Nachfragen kristallisieren sich meist folgende Anforderungen an den Gitarrenverstärker heraus:
- Er soll gut klingen, wenn er mit einem Booster Pedal „angeblasen“ wird.
Damit ist oft gemeint, daß der Amp lauter werden darf und soll.
Logisch.
Der Grad der Verzerrung darf sich auch erhöhen, aber immer nur in einem bestimmten Verhältnis zur Lautstärke-Erhöhung. Viele Verstärker, die mit einem Boost Pedal angeblasen werden, reagieren oft mit nur mehr Verzerrung, ohne wirklich lauter zu werden. Oftmals fängt es dann noch an zu Matschen. Der Sound wird undefiniert und breiig.
So ein Gitarrenverstärker wäre dann wohl nicht pedalfreundlich.
- Er soll gut klingen, wenn jegliche Art von Overdrive und Distortion Pedalen vor dem Verstärker zum Einsatz kommen.
Auch hier darf der Amp lauter werden. Dieser Punkt ist aber nicht ganz so wichtig, denn viele Overdrive + Distortion Pedale haben ein Poti zum Einstellen des Ausgangspegels.
Dennoch : Wird etwas mehr Bumms eingestellt, soll der Amp eben auch mehr Bumms bringen und nicht wieder anfangen zu matschen.
Er darf auch ein bißchen mehr Zerren, aber eigentlich soll er den Zerrsound des Pedal möglichst genau abbilden. Wenigstens soll er mit dem Sound des Pedals einen harmonischen Gesamt-Zerrsound erzeugen.
Soweit so gut.
Über zeitbasierende Effekte wie Delay, Chorus, Flanger, Phaser usw. wird in diesem Zusammenhang kaum gesprochen. Sie verändern zwar das
Gitarrensignal, aber verändern nicht die Signalstärke des fundamentalen Gitarrentons. Das heißt , sie machen das Gesamtsignal meist nicht lauter oder leiser. Nach meiner Erfahrung kommen fast alle, vernünftig gebauten, Gitarrenverstärker mit solchen zeitbasierenden Effekten gut zurecht. Wenn der fragliche Gitarrenverstärker einen Effekt-Loop besitzt, macht es oftmals Sinn, zeitbasierende Effekte im Loop zu plazieren. Sie klingen im Loop meist „besser“ als wenn sie vor dem Verstärkereingang plaziert werden. Das ist natürlich wie immer Geschmackssache. Ich betreibe ein Analog Delay vor einem voll aufgerissenen , ziemlich verzerrten, bandmasterartigen Röhrenverstärker. Mir gefällt das. „Sauber“ klingt das aber eher nicht.
Zurück zu den Boost, Overdrive und Distortion Pedalen (BOD):
Sie scheinen die kritischen Pedale zu sein.
Schauen wir uns also an, was solche BOD Pedale überhaupt machen.
Ein BOD tut wenigstens eins oder zwei Dinge:
- Alle Pedale erhöhen den Pegel (Gain) des Gitarrensignals, welches zum Amp geht. Das heißt, es nimmt das Signal der Gitarre und macht es größer.
- Overdrive und Distortion Pedale fügen dem Signal Obertöne hinzu und machen es harmonisch komplexer, indem sie es verzerren. Meist parallel dazu wird auch hier der Signalpegel erhöht.
Das Signal, das nun in unseren Gitarrenverstärker einschlägt, hat meist mehr Pegel und ist, wegen der Verzerrung, harmonisch komplexer.
Was passiert nun in unserem Gitarrenverstärker ?
Alle Amps haben eine Eingangsschaltung die das Gitarrensignal sozusagen empfängt. Manchmal wird ein „high“ und „low“ Input angeboten, wobei dann der „low“ Input einfach das Gitarrensignal bedämpft.
Seltener gibt es Eingangsschaltungen, die vielleicht „bright“ heißen, welche Bässe des Gitarrensignals beschneiden.
All das ist nicht wirklich wichtig für unsere Pedalfreundlichkeitsbetrachtungen (was für ein Wort).
Am Gitter der ersten Vorstufenröhre wird es interessant (zumindest für solche Technik-Freaks wie mich).
Das Gitter ist der Anschluß an der Röhre, welcher das Signal empfängt.
Die erste Röhre im Verstärker hat zwei wesentliche Aufgaben :
- Sie soll das sehr kleine Gitarrensignal verstärken und sozusagen auf internen Amp-Level bringen.
- Der Verstärker Entwickler hat die Möglichkeit, das Gitarrensignal mit harmonischen Obertönen anzureichern, indem er das Gitarrensignal hier schon verzerrt. Wie stark er das tut, liegt in seinem Ermessen.
Diese Verzerrung ist an dieser Stelle noch nicht auffällig hörbar, aber das eigentliche Inputsignal wird von dieser Stufe schon verändert / leicht verzerrt. Diese Veränderung wird dann später übrigens durch den ganzen Amp weiter verstärkt. Das erklärt auch, warum die erste Röhre in einem Gitarrenverstärker so eine wichtige Rolle für den Gesamtsound des Röhrenverstärkers spielt. Sie ist eine Art Stempel, der dem Gesamtsound aufgedrückt wird.
Genau hier wird das Zusammentreffen von BOD Pedal und Gitarrenverstärker oftmals problematisch.
Nach meiner Erfahrung kann ich sagen :
Je mehr Gain/Verzerrung in die ersten Röhrenstufe eines Amps konstruiert wurde, desto schwieriger wird es, ein BOD Pedal zu finden, welches sein Ding macht UND gut mit dem Amp zusammenspielt.
Stell Dir zwei BOD Pedale vor, die hintereinander geschaltet werden. Wir alle haben das schon einmal ausprobiert und sicher hast auch Du die Erfahrung gemacht, daß es einiger Einstellungen bedarf, bis das wirklich gut klingt. Meistens muß das Gain eines der Pedale recht stark angepaßt (reduziert) werden.
Einfach ausgedrückt : Wenn zuviel Verzerrung in der Signalkette stattfindet, gerät uns der Sound schnell außer Kontrolle.
Wie schlimm das wird, hängt wiederum von den EQs und Zerrsounds der Pedale ab. Meine Versuche mit dem Hintereinanderschalten von BOD Pedalen endeten jedenfalls meist NICHT in gutem Sound.
Es gibt sicher Gitarristen, die gerade auf der Suche nach genau DIESEN Sounds sind, aber ich schreibe das hier aus meiner Perspektive und aus der Perspektive von Gitarristen, die nach einem reichen, dicken, harmonisch komplex übersteuerten oder verzerrten Sound streben. Das ist das was ich mag und als Autor des Artikels kann ich das Ruder in diese Richtung lenken ;-).
Ok, wir haben also nun festgestellt, daß ein BOD Pedal und die Eingangsstufe eines Röhrenverstärkers wie eine Verkettung von zwei BOD Pedalen gesehen werden kann. Für einen guten Sound ist es deshalb wichtig, Gain und Level dieser beiden Stufen anzupassen.
Wenn wir das nun glauben, dann sehen wir, daß die Eingangsschaltung eines Gitarrenverstärkers festlegt, wie gut es mit dem jeweiligen BOD Pedal insgesamt klingen wird.
High Gain Verstärker, die in Ihrer Vorstufe die Verzerrung erzeugen (typischerweise sind das Gitarrenverstärker mit mehreren Kanälen) sind so konstruiert, daß jede Verstärkungsstufe (Röhre) möglichst VIEL Gain erzeugt. Die Entwickler trimmen jede Vorstufenröhre auf maximale Verstärkung. So werden weniger Stufen (Röhren) benötigt. Das spart Kosten, Gewicht und Platz.
Solche Amps reagieren sehr empfindlich auf Änderungen des Eingangspegels. Jede noch so kleine Änderung im Pegel des Signal erzeugt eine riesige Änderung des Gesamtpegels im Verstärker, je weiter das Signal zur Endstufe hin „durch rückt“. Je nachdem, wie viele Möglichkeiten es im Amp gibt das Gain zu regeln, wird es unter Umständen schwierig, die vom BOD erzeugte Verzerrung / Signalanhebung zu kompensieren.
Meist klingt das BOD Pedal auch noch am Besten, wenn Gain bei ihm ordentlich aufgedreht ist und schupps…….nun wird es zuviel des Guten!
Eine andere Gefahr beim Zusammenspiel von BOD Pedal und Amp besteht in deren Frequenz Betonungen oder Vernachlässigungen.
Gemein ist : Wenn euer BOD Pedal die gleichen Frequenzbereiche betont wie der Gitarrenverstärker, sind die Resultate meist eher nicht so toll.
Beispiel : Das Pedal betont die Bässe stark. Der Amp betont die Bässe stark und verstärkt somit die bereits betonten Bässe des Pedals weiter. Ergebnis : Zuviel des Guten.
Oder anders herum : Ein Treble Booster vor einem eher auf der „bright“ Seite lebenden Amp mag für Katzen und Hunde attraktiv klingen, für euer Publikum aber eher nicht.
Natürlich läßt sich das Gesamtergebnis durch den Einsatz von EQs entweder am Pedal oder am Amp beeinflussen. Einige BOD Pedale haben nur leider keine effektiven oder sogar gar keine Tone Control Möglichkeiten. Dann wird es schwer.
Den Amp auf ein bestimmtes Pedal einzustellen macht nur Sinn, wenn dieses Pedal praktisch immer AN ist. Das ist eher selten der Fall.
So, was ist nun eine Erfolg versprechende Kombination von BOD Pedal und Amp ?
Hier ist das Rezept, von dem ich glaube, daß es euch den gewünschten Sound bei der Kombination von Pedalen mit einem Gitarrenverstärker bringen wird:
1. Ein Amp der NICHT für übermäßig viel pre amp distortion konstruiert wurde.
Zum Beispiel sind fast alle Fender Amps so konstruiert, daß die Vorstufen mit mittlerem Gain gerade genug Verstärkung erzeugen, um die Endstufen ausreichend anzusteuern. In der Vorstufe selbst wird nicht übertrieben viel Verzerrung erzeugt. Die Auswahl der Röhren und Komponenten erzeugt einen reichen, warmen Tone – den klassischen Fender Tone. VIELE Amps sind nach diesem Prinzip gebaut.
Generell gilt : Amps, die für den klassischen Röhrensound gebaut sind – Blues und Rocksounds -, haben Vorstufenschaltungen, die nicht selbst schon eine Tonne Verzerrungen erzeugen.
Diese Verstärker reagieren auch gut auf die Anschlaghärte, Pickingtechniken und auf reduzierte Volumepotis an der Gitarre. Wenn ihr einem solchen Amp begegnet, könnt ihr fast sicher sein, daß er auch gut auf BOD Pedale reagieren wird.
2. BOD Pedal mit Gain UND Tone Control. Das ermöglicht es euch , den in den Amp kommenden Tone dem Voicing des Amps anzupassen. So vermeidet ihr das „zuviel des Guten“ Problem – wie oben beschrieben.
Das ist es eigentlich schon.
Das sind die zwei wichtigsten Punkte, die wir auf dem Weg ins Pedal Nirvana beachten müssen (abgesehen von der Qualität des Pedales selbst).
Nur einer dieser Punkte hat mit dem Amp zu tun.
Ich denke JEDER Gitarrenverstärker, der nicht auf massive Vorstufenverzerrung getrimmt wurde, bietet eine gute Plattform für eure Pedale. Wenn ihr dem Verstärker einen schönen Clean-Sound bei vernünftigen Lautstärken entlocken könnt, seit ihr schon in einer guten Position.
Das ist keine unerreichbare Voraussetzung – würde ich sagen.
Fazit : „Pedalfreundliche“ Gitarrenverstärker sind fast immer solche Amps in die von vorn herein nicht allzu viel Gain eingebaut worden ist. Je einfacher die Schaltungen der Amps, desto besser.
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