Gitarrenverstärker der ersten Stunde wurden mit Röhren konstruiert und betrieben.
Das lag nicht etwa daran dass die Entwickler den Sound der Röhre so toll fanden – sie hatten nichts anderes!
Die Röhre war das erste, kommerziell einsetzbare, aktive Bauteil, welches eine Signalspannung verstärken konnte. Für kleinere Signalspannungen, wie sie etwa in Vorverstärkern vorkommen, wurden spezielle „Vorstufenröhren“ entwickelt. Für die Endstufen, die dann wirklich Leistung erzeugen mußten, die Leistungsröhren/Endstufenröhren.
Typische Vertreter der Vorstufenröhren sind heute z.B. :
- 12AX7 / ECC83
- 12AU7 / ECC82
- 12AT7 / ECC81
(europäische/amerikanische Bezeichnung)
Typische Vertreter der Endstufenröhren sind z.B. :
- EL84
- EL34
- 6V6
- 6L6GC
Es wurden unzählige Röhrentypen entwickelt. Auch solche die eine Vorstufenröhre und eine Endstufenröhre in einem Glaskolben vereinten. Am Ende der Röhren-Hochzeit wurden sogar Miniatur-Röhren für den Einbau in Autoradios entwickelt und gebaut.
Die Entwicklung des Transistors unterbrach (leider) die Entwicklung von solchen neuen Röhrentypen, so daß wir heute praktisch nur Röhren einsetzen, die nach alten Konstruktionen immer noch neu gebaut werden.
Für uns Gitarristen ist es sicher ein glücklicher Umstand, daß die Röhre vor dem Transistor erfunden wurde. Wäre dem nicht so, wäre wahrscheinlich niemand auf die Idee gekommen, Röhren in einem solch strapazierten Gerät wie einem Gitarrenverstärker einzusetzen.
Vielleicht hätten wir uns aber auch an den Sound der Transistoren gewöhnt wenn Jimi Hendrix einen Transistorverstärker voll aufgerissen hätte. Der Sound von übersteuerten Röhren käme uns vielleicht heute zu „weich“ und „harmonisch“ vor.
Kann sein.
Sie bringt auch gleich eine Reihe von Eigenschaften mit die uns im Gitarrenverstärker sehr helfen!
- Sie besitzt einen extrem hohen Eingangswiderstand. Unser Gitarrensignal bleibt vom tone sucking verschont, wenn wir das Gitarrenkabel in den Gitarrenverstärker stecken.
- Wenn wir zuviel Signal in die Röhre schicken, oder von ihr zuviel Leistung abverlangen, reagiert sie mit einer eher gutmütigen Verzerrung des Signals. Diese Verzerrung empfinden wir als angenehm und musikalisch. Das liegt an den „harmonischen“ Obertönen die erzeugt werden wenn das Signal „clippt“.
- Sie besitzt eine sehr hohe Signalverstärkung. Die Folge ist, daß wir unser winziges Tonabnehmersignal nur durch sehr wenige Röhrenstufen schicken müssen, um eine Band-taugliche Lautstärke zu erzeugen. Das hilft der Transparenz und „Schnelligkeit“ des Signals.
- Eine Röhre ist recht unempfindlich. Ein Kurzschluß am Speakerausgang oder auch ein vergessenes Speakerkabel stellen normalerweise kein Problem dar. Robustheit ist eine SEHR wichtige Eigenschaft für Musiker-Equipment.
Die Urväter der Gitarrenverstärker gingen die logischen Schritte. Sie hielten sich an die Hersteller-Datenblätter der damals vollkommen neuen und hippen Röhren und wichen in ihren Designs fast nicht davon ab.
Sie konstruierten Röhrenverstärker mit bestmöglichem Aufwand- Nutzen Verhältnis, denn auch ein Röhrenverstärker war und ist ein kommerzielles Produkt, welches dem Hersteller möglichst viel Gewinn einbringen soll. Viele Röhrenverstärker Schaltungen entpuppen sich bei genauerem Hinsehen als 1:1 Kopien der Schaltungsvorschläge die seinerzeit von den Röhrenherstellern für ihre Röhren veröffentlicht wurden. Allzu kreativ war das nicht, aber solch ein Vorgehen ist auch heute noch Standard.
Röhren waren damals sehr teure Bauteile (sind es immer noch) und mussten sparsam verwendet werden. Ein schönes Beispiel für eine sehr sparsame Verwendung von Röhren ist ein Champ von Fender :
Unter der Blechkappe rechts befindet sich eine Vorstufenröhre.
In der Mitte eine Endstufenröhre (6V6) und links eine Gleichrichterröhre.
Ein paar Widerstände und Kondensatoren – fertig ist der Gitarrenverstärker!
Dieser Verstärker ist auf unzähligen Langspielplatten-Klassikern zu finden. Aufgrund seiner geringen Leistung verzerrt der Champ sehr früh und bringt einen wunderbar singenden, stehenden Gitarrenton zu Gehör.
Lassen wir mal die Gleichrichterröhre außen vor, so stellen wir fest, daß unser Pickup-Signal gerade einmal 3 aktive Stufen durchlaufen muß.
In der Vorstufenröhre befinden sich praktisch zwei kleine Röhren und in der Endstufenröhre ein Röhren-System. Dazu noch eine Handvoll passive Bauteile und fertig ist der Gitarrenverstärker.
Ich finde das genial!
Gibt eine der Röhren ihren Geist auf, wird sie gezogen wie eine Glühbirne – eine neue Röhre wird reingesteckt und ab geht es wieder.
Einfacher geht es nicht.
Bitte trag Dich hier ein, damit Du über neue Beiträge informiert wirst !