Die ersten Gitarrenverstärker wurden mit Röhren gebaut und betrieben. Nicht, weil man den Klang der Röhre so toll fand – man hatte schlicht nichts anderes.
Die Röhre war das erste aktive elektronische Bauteil, das Signale verstärken konnte. Für kleine Spannungen, wie sie in Vorstufen vorkommen, wurden spezielle Vorstufenröhren entwickelt. Für die eigentliche Leistungsverstärkung kamen Endstufenröhren zum Einsatz.
Typische Röhrentypen
Vorstufenröhren:
- 12AX7 / ECC83
- 12AU7 / ECC82
- 12AT7 / ECC81
Endstufenröhren:
- EL84
- EL34
- 6V6
- 6L6GC
Über die Jahrzehnte wurden unzählige Varianten entwickelt – sogar Kombinationen aus Vor- und Endstufe in einem Glaskolben. Kurz vor dem Ende der Röhrenära gab es Miniaturröhren für Autoradios.
Mit dem Aufkommen des Transistors kam diese Entwicklung abrupt zum Stillstand. Heute werden nur noch Röhren gebaut, die auf alten Konstruktionsprinzipien basieren. Für uns Gitarristen war das ein Glücksfall. Wäre der Transistor zuerst da gewesen, gäbe es Röhrenamps vermutlich gar nicht. Vielleicht hätten wir uns an den Klang von übersteuerten Transistoren gewöhnt – und Röhren würden uns heute „zu weich“ vorkommen.
Eigenschaften der Röhre im Gitarrenverstärker
- Hoher Eingangswiderstand: Das Gitarrensignal bleibt unbeeinflusst, kein Tone Sucking.
- Gutmütige Verzerrung: Bei Übersteuerung entstehen harmonische Obertöne, die als musikalisch empfunden werden.
- Hohe Verstärkung: Wenige Stufen reichen, um das kleine Gitarrensignal auf Bühnenlautstärke zu bringen. Das sorgt für Transparenz und Dynamik.
- Robustheit: Eine Röhre steckt einiges weg. Kurzschluss am Ausgang? Kein Drama. Auch das gehört zu ihrer Faszination.
Die frühen Entwickler hielten sich eng an die Datenblätter der Röhrenhersteller. Viele klassische Schaltungen sind fast identisch mit den Vorschlägen aus diesen Unterlagen. Kreativ war das nicht – aber effizient. Auch heute wird in der Elektronikentwicklung noch oft so gearbeitet.
Beispiel: Fender Champ
Röhren waren teuer, also musste man sparsam mit ihnen umgehen. Ein gutes Beispiel ist der Fender Champ: eine Vorstufenröhre (unter der Blechkappe), eine Endstufenröhre (6V6) und eine Gleichrichterröhre. Dazu ein paar Widerstände und Kondensatoren – fertig ist der Gitarrenverstärker.
Der Champ ist auf unzähligen Aufnahmen zu hören. Mit seiner geringen Leistung zerrt er früh und liefert einen wunderbar singenden Ton. Lässt man die Gleichrichterröhre außen vor, durchläuft das Signal nur drei aktive Stufen – zwei in der Vorstufenröhre, eine in der Endstufe. Dazu ein paar passive Bauteile. Mehr braucht es nicht.
Wenn eine Röhre ausfällt, wird sie einfach ersetzt – wie eine Glühbirne. Eine neue rein, und weiter geht’s.
Einfacher geht es wirklich nicht.