Gitarrenverstärker mit point-to-point Verdrahtung sagt man besseren Ton und längere Haltbarkeit nach. Oft heißt es: point-to-point sei besser als der Aufbau mit Leiterplatte.
Stimmt das?
Früher, in den Kindertagen der Röhrentechnik, gab es nur eine Verdrahtungsart: point-to-point. Ein deutsches Wort fehlt – „Stützpunktverdrahtung“ trifft es ganz gut.
Bauteile wie Drähte, Widerstände und Kondensatoren werden an gemeinsamen Lötstützpunkten verbunden. Diese Stützpunkte können die Pins von Röhrensockeln sein, Lötleisten mit vielen Lötpunkten, Eyelet-Boards (Nieten) oder Turret-Boards (turmartige Lötstützpunkte). Das folgende Bild zeigt eine point-to-point Verdrahtung mit Eyelet-Board.
Alle Bauteile werden auf dem Eyelet-Board verlötet und von dort zu den Röhrensockeln geführt. Gegenüber „richtigem“ point-to-point (ohne Board, dazu gleich mehr) hat das den Vorteil, dass sich das Board vorbestücken lässt. Es wird dann ins Chassis eingesetzt und zu Sockeln, Potis und Buchsen verdrahtet.
So konnte man – ähnlich wie in der Autoproduktion – in Arbeitsschritten bauen: Eine Gruppe bestückt Boards, die andere verdrahtet sie im Verstärker.
Turret-Boards sind eine weitere Spielart. Turrets sind einfach andere Lötstützpunkte. Warum Fender oft Eyelets und Marshall oft Turrets nutzte, kann ich nicht sicher sagen – vermutlich Verfügbarkeit und Preis.
Die Hardcore-Fraktion ruft jetzt: „Das ist doch kein echtes point-to-point!“ Stimmt im Prinzip. Richtiges point-to-point kommt ohne Boards aus. Bauteile werden direkt an Röhrensockel oder Lötleisten gelötet. Das ist aufwendig und verlangt Erfahrung – entsprechend teuer war die Produktion. Große Hersteller sind deshalb schnell auf Boards umgestiegen. Heute meint „point-to-point“ meist: mit Eyelet- oder Turret-Board aufgebaut.
Nach und nach verdrängten Leiterplatten (PCB) diese Bauweisen. Bauteile werden durch die Platine gesteckt und verlötet; die Verbindungen übernehmen Kupferbahnen. Layouts entstehen am Computer, die Fertigung ist automatisiert. Für die Serienproduktion ist das sinnvoll.
Der schlechte Ruf von PCBs in Gitarrenamps hat historische Gründe. Frühe Platinen waren oft einseitig, dünn und mit schwachem Kleber – Kupferbahnen lösten sich, Verbindungen brachen. In Gitarrenverstärkern ist das kritisch:
- Wechselnde Umgebungstemperaturen (Transport, Proberaum).
- Hohe Innentemperaturen durch Röhren.
- Vibrationen – besonders im Combo.
- Feuchtigkeit im Proberaum.
- Schwere Bauteile belasten Lötstellen und Leiterbahnen.
Eine Platine muss das aushalten. Gute, doppelseitige, durchkontaktierte PCBs tun das. Sie kosten aber mehr – und von außen sieht man die Qualität nicht.
Zum Vergleich rechts ein beliebter Serienamp, bei dem stark gespart wurde. Solche Geräte sind Dauergäste auf der Werkbank – gerissene Lötstellen, abgehobene Leiterbahnen.
Vorteile point-to-point
- Lötstützpunkte sind elektrische Verbindung und mechanische Halterung.
- Jede Lötstelle wird von Hand gesetzt. Sorgfalt vorausgesetzt, sehr zuverlässig.
- Weniger parasitäre Kapazitäten durch freie Verdrahtung – das kann sich klanglich positiv auswirken.
Nachteile point-to-point
- Nicht für Massenproduktion geeignet.
- Mehr Handarbeit, daher teurer.
- Wo Menschen löten, können Fehler passieren.
Vorteile der Leiterplatte
- Ordentliche, reproduzierbare Struktur.
- Schnelle, kosteneffiziente Serienfertigung.
- Jedes Gerät ist gleich aufgebaut; enge Toleranzen möglich.
Nachteile der Leiterplatte
- Dauerhaftigkeit hängt stark von Qualität der PCB und der Lötung ab.
- Schwere Bauteile und Vibrationen können Leiterbahnen belasten.
- Parasitäre Kapazitäten zwischen Bahnen können Klang und Phasenlage beeinflussen.
Fazit: point-to-point vs. PCB
95 % der Gitarristen spielen störungsfrei über Amps mit Leiterplatten. Die Löttechnik – auch bleifrei – ist heute besser als früher. Hochwertige Geräte setzen auf durchkontaktierte, doppelseitige PCBs.
Mit allen Bauweisen lassen sich – richtig gemacht – gut klingende, langlebige Amps bauen. Was man bevorzugt, ist am Ende auch eine Frage der Ästhetik. Ich mag point-to-point. Meine privaten Amps sind so aufgebaut. Für eine kleine Serie würde ich wahrscheinlich sehr gute PCBs wählen – wegen Kosten-/Nutzen-Verhältnis und konstanter Qualität.
Wie seht ihr das? Erfahrungen gern in die Kommentare.