Was ist ein HOT-Poti und wozu ist es gut?
In diesem kurzen Video zeige ich die Funktion des HOT-Potis an einem Deluxe Reverb.
Zur Einordnung: Das HOT-Poti ist nicht meine Erfindung. Die Idee kam von einem Princeton-Kunden, der sie aus einem Artikel von Udo Pipper kannte.
Herr Pipper beschrieb damals in seiner unnachahmlichen Art, wie er den Sound eines Princeton angeblich verbessern konnte – durch zwei Wochen Lagerung des Verstärkers in einem Betttuch aus dem Hotel, in dem Keith Richards 1969 zwei Latte Macchiato getrunken hatte. Ich fand das köstlich – und natürlich völlig absurd. Also haben wir’s ausprobiert. Nicht das Betttuch, sondern das Poti.
Wir bauten das HOT-Poti wunschgemäß in den nagelneuen Princeton unseres Kunden ein – mit hörbarem Ergebnis. Der Effekt war keine Tag-und-Nacht-Geschichte, aber man merkte etwas: der Ton wurde rauer, die Bässe etwas voller, die Endstufe zerrte harmonischer. Kein großer Umbau, aber ein kleiner Schubs in Richtung „Tweed“.
Wie funktioniert das HOT-Poti?
Kurz gesagt: Es reduziert das negative Feedback (NFB) in der Endstufe.
Was ist negatives Feedback und wozu ist es da?
Ganz ohne NFB geht es auch. Es gibt einige Gitarrenverstärker, die ohne interne Rückkopplung auskommen – der VOX AC30 zum Beispiel, oder der Tweed Deluxe.
Beide sind nicht berühmt für straffe Clean-Sounds oder präzise Bässe. Dafür sind sie bekannt für lebendige, offene Verzerrung mit vielen Obertönen. Für knallharte Palm-Mutes eher nicht geeignet, aber wunderbar für organische, reagierende Sounds.
Ein Röhrenverstärker in seiner Urform verstärkt nicht neutral – er färbt den Klang.
Er fügt dem Gitarrensignal Verzerrungen und Obertöne hinzu. Der Frequenzgang ist begrenzt. Je mehr Bass sauber übertragen werden soll, desto größer müssen die Übertrager sein. Ohne NFB lässt der Verstärker den Lautsprecher im Prinzip tun, was er will. Kontrolle im Bass? Fehlanzeige.
Für HiFi-Anwendungen war das unbefriedigend.
Auch für cleane Country-Gitarren war dieses wilde Verstärker-Biest nur bedingt brauchbar. Ziel war es, möglichst viel Clean zu bekommen – mit wenig Leistung und handlichen Trafos. Also kam das negative Feedback ins Spiel.
Das Prinzip ist einfach.
Hinter dem Ausgangsübertrager wird ein kleiner Teil des Signals abgenommen, um 180° gedreht (also negativ) und vor die Endstufe zurückgeführt. Dort vergleicht die Schaltung Eingang und Ausgang und korrigiert Abweichungen in Echtzeit. Das kostet Verstärkung – ein Amp mit NFB ist bei gleicher Einstellung also leiser als einer ohne.
Warum klingt das Signal am Lautsprecher anders als das aus der Vorstufe?
Weil die Endstufenröhren verzerren. Weil der Übertrager nicht alle Frequenzen gleich behandelt. Und weil der Lautsprecher mit dem Übertrager wechselwirkt und bei jeder Frequenz eine andere Last darstellt. Kurzum: Am Ende der Kette passiert einiges – und genau das macht Gitarrenverstärker so lebendig.
Was ändert das HOT-Poti konkret?
Mit dem HOT-Poti schwächen wir die NFB-Rückkopplung ab. Das hat Folgen:
- Der Frequenzgang wird weniger linear – technisch schlechter, klanglich oft lebendiger.
- Die Kontrolle über den Lautsprecher (Dämpfungsfaktor) sinkt. Die Bässe werden weicher, wirken aber voller.
- Die Gesamtverstärkung steigt, der Amp wirkt etwas lauter.
- Nebengeräusche nehmen leicht zu, denn NFB reduziert auch Rauschen und Brummen.
- Der Anteil der Obertöne steigt. Selbst im Clean-Bereich klingt der Amp etwas „röhriger“.
- Der Übergang von Clean zu Zerr wird fließender. Ein NFB-Amp hält das Lautsprechersignal lange am Vorstufensignal fest; ohne NFB bricht diese Kontrolle früher auf.
Warum dann überhaupt NFB? Weil wir sonst Kontrolle, Signaltreue und Straffheit verlieren. Beides hat seinen Platz – je nach Stil und Geschmack.
Das Presence-Poti hängt übrigens im gleichen Regelkreis. Es nimmt die Höhen teilweise aus der NFB-Schleife heraus. Diese Höhen werden also nicht „eingefangen“ und können sich besser durchsetzen. Wie immer gilt: man kann nicht alles haben.
Für welche Amps lohnt sich das HOT-Poti?
Am meisten Sinn macht es bei Amps, deren Endstufe öfter an die Grenze kommt – etwa beim Princeton oder beim Deluxe Reverb. Beim Super Reverb geht es auch, aber da wird’s schnell laut. Für Marshall-Schaltungen empfehle ich es nicht: dort verliert das Presence-Poti durch die NFB-Änderung an Wirkung, und der Amp klingt zu weit weg vom Originalcharakter.
Der Artikel ist wieder länger geworden als geplant. Ich hoffe, er bringt etwas Licht ins Thema HOT-Poti, NFB und Presence. Fragen dazu beantworte ich gern – am besten mit Lötkolben in der Hand.