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Mercury Magnetics Trafos

Mercury Magnetics Trafos

Meine Meinung zu diesem Thema :

Mir ist bewußt, dass ich mit diesem Beitrag über Mercury Magnetics Trafos viele Leute vor den Kopf stoßen werde und mir von Einigen sämtliches Fachwissen und jegliche Kompetenz in Fragen Sound eines Röhrenverstärkers abgesprochen werden wird.

So sei es.

Super Reverb Chassis mit Mercury Magnetics Reverübertrager, Ausgangsübertrager, Drossel und Netztransformator (von links nach rechts).

Warum schreibe ich diesen Post überhaupt ?

Fast täglich schreibe und versende ich Angebote für Gitarrenverstärker an potentielle Kunden. Viele haben Sonderwünsche. Die Preislisten für die Verstärker auf meiner Web-Seite reichen deshalb nicht aus.

Das ist normales Tages-Geschäft und ich beschwere mich nicht darüber, denn ich biete ja jede Menge an Optionen und Sonderwünschen für die Verstärker an, ohne Preise anzugeben.

Allerdings gibt es für mich einen, nach vielen Jahren ersichtlichen, direkten Zusammenhang zwischen dem Erfolg eines von mir verfaßten Angebotes und dem Wunsch des potentiellen Kunden, für seinen Verstärker Mercury Magnetics Trafos als Option zu bestellen.

Ich kann mit 95%iger Wahrscheinlichkeit sagen, daß ein MM-Wunschkunde den Amp nicht bestellen wird.

Sämtliche Korrespondenz und das Erstellen des Angebotes ist damit mehr oder weniger verlorene Zeit.

Für den Kunden und für mich.

Warum passiert das so oft?

Der Kunde hat meist im Internet gelesen und manchmal auch von Mitmusikern gehört, daß die Trafos der Firma XY (z.B. die von TAD oder MOJO) doch nicht sooo gut seien und die Trafos von Mercury Magnetics VIEL besser.

Wie sie zu dieser Aussage kommen ist fast immer unklar.

Man könnte zu dieser Aussage kommen, wenn man bei einem vorhandenen Amp, dessen Klangverhalten man dann aber auch aus dem Effeff kennen sollte, die vermeidlich “üblen” Trafos mit MMs ersetzten würde und dann den Vergleich HÖRT.

BTW : Das akustische Gedächtnis eines Menschen ist etwa 30 Sekunden lang.

Man könnte den Amp mit den “üblen” Trafos aufnehmen und dann später, mit genau den selben Einstellungen, mit den selben Lautsprechern, im selben Raum, mit dem selben Mikrofon, im selben Abstand zu den Speakern , mit der selben Position des Mikros innerhalb des Speakers , mit dem selben Gitarristen, der selben Gitarre, dem selben Kabel, den selben Saiten mit GENAU der selben Spieltechnik und Anschlagstärke, die Aufnahme mit Mercury Magnetics wiederholen.

Ach ja – das Plektrum und Gitarrenkabel sollte auch das Selbe sein ;-).

Dann könnte man beide Aufnahmen abwechselnd A/B hören und einen Vergleich anstellen.

Haben die Leute aus den Foren so etwas je getan ?

Ich behaupte : Nein.

Wie kommen sie denn dann darauf, dass die MMs so überlegen sein sollen ?

Sie haben es in Internet Foren gelesen oder von anderen gehört.

Wenn es gut läuft, haben einige Forum-Schreiber tatsächlich MMs bestellt und eingebaut.

Während dieses Prozesses haben sie mehrere hundert Euro (dazu später mehr) ausgegeben und entweder viele Stunden Arbeit investiert oder, wahrscheinlicher, noch mehr Euros für den Austausch der Trafos bei einem Techniker bezahlt.

Jetzt haben Sie also in einen 1200€ Amp 700-800€ rein-gesteckt.

Wie werden sie das Ergebnis finden ?

Wahrscheinlich phänomenal und großartig.

Alles andere wäre das Eingeständnis eines Fehlers, oder zumindest einer vermeidbaren Geldausgabe und das gilt es zu vermeiden.

Das ist Küchenpsychologe 1.0.

Ich will sachlich bleiben

und folgende Punkte klarstellen :

  • Mercury Magnetics baut sehr gute Trafos, daran habe ich keinen Zweifel
  • Mercury Magnetics hat eine Weltklasse Marketingabteilung
  • Ich verstehe vollkommen die Motivation der Gitarristen, bei einem eigens für sie gebauten Amp eben nur die vermeintlich besten Teile verwenden zu wollen
  • Ein extrem billig gebauter Amp wird auch extrem billig gebaute Trafos verwenden ; der Ersatz dieser Trafos durch MMs IST eine Aufwertung dieses Amps
  • Ich selbst verwende auch gern MMs, aber eigentlich nur weil sie so schon farbig gestaltete Trafoabdeckbleche haben ; sieht einfach gut aus !
  • Ich habe nichts gegen MM Trafos und ich habe auch nichts gegen Leute, die diese Trafos kaufen und verwenden
  • Keinesfalls will ich die Leistung von Trafo-Wicklern gering schätzen. Es gehört viel Wissen und Erfahrung dazu, gute Trafos zu fertigen. Das trifft aber auch auf alle anderen Bauteile wie Röhren, Kondensatoren usw. zu. Ich selbst könnte keinen guten Übertrager herstellen.

Mercury Magnetics hat es geschafft, ein Premiumhersteller unter den Trafosherstellern zu werden.

Etwa so wie Mercedes bei den Autos, oder Glashütte bei den Uhren.

Ich gratuliere ihnen dazu.

Es spricht auch überhaupt nichts gegen Premiumhersteller. Ich wünschte, ich hätte diesen Status bereits.

Fakt ist aber auch :

Mercury Magnetics Trafos sind extrem teuer.

Man kann das überteuert nennen, oder Premium…ganz wie man will.

Genau hier liegt der Hase im Pfeffer, wenn ich wieder auf meine Angebote zurück kommen darf.

Ein Mercury Magnetics JTM45 Beispiel :

Nehmen wir ein JTM45 Topteil.

Ein Kunde möchte ein PPIMV Master Volume und Mercury Magnetics Trafos als Optionen mit angeboten bekommen.

Er hat da im Internet gelesen, dass……

OK, kein Problem.

Das Standard JTM45 Topteil kostet zur Zeit (22.02.2017) 1426€, fertig aufgebaut, verdrahtet, geprüft und spiel-bereit. Das ist günstiger als ein China-Platinen JTM45 bei Thomann. Unglaublich.

Ein PPIMV Master auf der Rückseite des Amps kostet 45€.

So, nun zu den Mercury Magnetics :

Schauen wir mal nach was die kosten.

Wir brauchen :

  1. Den Netztransformator.
  2. Die Siebdrossel
  3. Den Ausgangsübertrager

Der Netztransformator (PT von Power Transformer) :

Seine Aufgabe ist es, die in unserem Stromnetz (230V) vorhandene Spannung in andere Spannungen, die intern im JTM benötigt werden, umzuwandeln. Im Grunde sind das mehrere Wicklungen aus Kupferdraht, die um ein Paket aus Stahlblech gewickelt werden.

Ein solcher Trafos muß also mit unserer 230V Volt Netzspannung arbeiten können und sollte die richtigen Spannungen, mit dem richtigen Strom, daraus bereitstellen.

In diesem Fall wären das :

  • etwa 345-0-345V@200mA für die Hochspannung der Röhren, die mit einer Gleichrichterröhre erzeugt wird
  • 3.15 V-0-3,15V @ 6A für die Heizspannung der Röhren
  • 5V @ 3A für die Heizspannung der Gleichrichterröhre

Kann nun ein MM Trafo diese Spannungen und Ströme irgendwie “besser” bereitstellen als ein anderer Trafo (der auch die Spezifikationen erfüllt) ?

Nein.

Könnte er sonst irgendwie besser sein ?

Ja, könnte er. Er könnte besser gefertigt sein und weniger Eigen-Brumm aufweisen.

Der PT könnte besser geschirmt sein und z.B. ein Flux-Band besitzen (verhindert das Einstreuen von Brummstörungen in andere Verstärkerbaugruppen).

Auch könnte er großzügiger dimensioniert sein und nicht schon bei Normalbetrieb sehr / zu heiß werden.

All Das könnte sein und wenn der Original-Netztrafo eines JTM45 XY sehr mies wäre, dann träfe der eine oder andere Punkt sicher zu und der MM PT wäre eine echte Verbesserung für diesen Amp.

Sind die von uns verwendeten Netztrafos so mies ? Nein, natürlich nicht.

Bringt ein MM Netztrafo gegenüber unseren Standard Netztrafos irgendeine Verbesserung ?

Nein.

IGPW Trafo Set JTM45
Von links nach rechts : Netztrafo, Ausgangsübertrager, Siebdrossel. Hier von der leider nicht mehr aktiven deutschen Firma IGPW.

Siebdrossel :

Wieder ist das nur eine Kupferdrahtwicklung, gewickelt um ein Paket aus Stahblech.

Die Siebdrossel glättet die Hochspannung nach der Gleichrichterröhre. Sie entfernt die Welligkeit / Brumm aus der Spannung, damit unser Amp nicht zu sehr brummt.

Dazu nutzt sie eine Eigenschaft der Induktivität, die sich Änderungen im Stromfluß widersetzt und somit die Änderungen (Welligkeit) im Strom mehr oder weniger glatt bügelt. Den Rest verheizt die Sieb-Drossel in Wärme.

Damit das im JTM45 funktioniert, muß die Drossel eine bestimmte Induktivität (angegeben in Henry) bei einem bestimmten Strom (mA) besitzen.

Jede Drossel dieser Welt ist mit diesen beiden Spezifikationen angegeben.

Wenn wir jetzt also von einer ordentlich gefertigten Drossel ausgehen :

Was kann eine MM Drossel besser machen ?

Nichts.

Sie kann anders dimensioniert sein, ja. Sie könnte mehr Induktivität besitzen und mehr Brumm entfernen.

Wenn sie aber für den JTM45 dimensioniert ist, muß sie das gar nicht (tut sie auch nicht, nach meiner Erfahrung).

JTM45 mit Mercury Magnetics
Alle Trafos auf dem Chassis eines JTM45 Reissue.

Der Ausgangsübertrager :

Hier wird es ein bißchen komplizierter. Der Austausch des Ausgangsübertragers (OT / von Output Transformer) kann tatsächlich eine Änderung des Klanges bewirken.

Der OT wandelt die hohen Spannungen und geringen Ströme an den Endstufenröhren in für Lautsprecher passende geringe Spannung mit hohen Strömen um.

Der Aufbau ist ähnlich wie beim Netztrafo. Mehrere Kupferwicklungen sind um ein Stahlblechpaket gewickelt.

Dabei muß der Trafo-Bauer aber einiges beachten :

  • Der OT muß eine für den verwendeten Endstufenröhrensatz geeignete Eingangsimpedanz bereitstellen (Raa).
  • Der OT muß mit dieser Impedanz auf der Ausgangsseite die richtigen Lautsprecher-Impedanzen liefern können (z.B. 4+8+16Ohm).
  • Dazu benötigt der OT ein bestimmtes Übertragungsverhältnis.
  • Seine Bandbreite sollte für die Verstärkerleistung geeignet sein. Je mehr Leistung durch den OT gejagt wird, um so geringer wird seine Bandbreite.

Ein ZU kleiner OT wird die Bässe früh beschneiden und komprimierter klingen, wenn hohe Leistungen gefordert werden. Auch fängt der OT dann selbst an zu “verzerren” und der Sound ändert sich entsprechend.

Ein ZU großer OT kann etwas zu “HiFi” klingen.

Die Bandbreite zwischen fL (untere Grenzfrequenz) und fH (obere Grenzfrequenz) wird mit zunehmender Leistung kleiner.

Je nach Geschmack und Anwendung.

Wann also z.B. ein JTM45 Besitzer eher eine frühe Verzerrung wünscht, bei der es wenig “matschen” soll (Bässe werden beschnitten), dann fährt er mit einem kleineren OT besser.

Ein STONER-Freund, der fette, klare Bässe und saubere Abbildung seiner Gitarre wünscht, wird mit einem größeren OT zufriedener sein.

Nun gibt es Hersteller die angeben genau die, in einer bestimmten Zeit, verwendeten Übertrager exakt zu kopieren. Mit allen eventuellen Abweichungen beim Raa (siehe oben) oder auch der Blechgröße.

Beim JTM45 sind besonders “Radio Spares” Kopien von Übertragern sehr beliebt. Warum ? Weil es in der Marshall Geschichte eine Zeit gab, in der die Firma ihre OTs von einer Firma namens “Radio Spares” einkaufte.

Das ist recht lange her. Lange her = alt. Alter Verstärker = gut, also alter Übertrager = gut.

Die Firma Marshall ist keine Heilsarmee, sondern eine Firma. Als Firma denkt man in Kosten-Nutzen Strukturen.

Wenn also die Nachfrage nach JTM45 Modellen hoch war, mußte man geeignete Übertrager zu einem vernünftigen Preis, in der benötigten Menge besorgen.

So gab es eben auch eine Zeit, in der die Firma “Radio Spares”, die Teile für die Audioelektronik anbot (so wie heute Conrad bei uns), die passende Menge Übertrager zum passenden Preis liefern konnte und den Zuschlag bekam.

Die Firma Radio Spares gibt es übrigens heute immer noch, nur heißen sie jetzt “RS Components“.

Heute werden diese alten Übertrager als eine Art Gottesgeschenk verehrt. Dabei sind sie nur eines : Ganz normale Übertrager mit bestimmen Spezifikationen.

Was kann also ein Mercury Magnetics JTM45 Trafo besser als ein anderer Übertrager ?

Besser kann er nichts. Er kann anders sein.

Das können aber auch andere Übertrager von anderen Herstellern.

Wir verwenden hochwertige Übertrager, die den Spezifikationen entsprechen. Damit klingen unsere JTM45 sehr, sehr gut.

Mit Mercury Magnetics Übertrager werden sie unter Umständen anders klingen.

Ob das besser ist oder nicht, muß der Gitarrist entscheiden.

Butter bei die Fische :

Das war jetzt alles nur Vorgeplänkel.

Zurück zum eigentlichen Grund meines Beitrages: Die Kosten, oder warum meldet sich kein “Mein Amp soll Mercury Magnetics Trafos bekommen!” Kunde mehr ?

Ausgangspunkt ist z.B. :

“Bitte biete mir den JTM45 mit PPIMV und Mercury Magnetics Trafos an”

Jut, mache ich.

Den Grundpreis des JTM45 von 1426€ kennen wir schon.

Dazu kommt ein PPIMV mit 45€.

Mercury Magnetics :

Auf der Seite dieses Herstellers finden wir die aktuelle Preisliste für Marshall Verstärker :

Mercury Magnetics

Scrollen wir hinunter zum Netztrafo :
Mercury Magnetics Netztrafo

Da wir ein 230V Netz haben und die Amerikaner 120V, benötigen wir einen Netztrafo mit “universal voltage primary”.

Ein geeignetes Modell mit 5V Heizspannung für eine Gleichrichterröhre ist der P4550JT-G2. Allerdings wird dieser Trafo liegend montiert, so dass wir hier einen Ausschnitt im Chassis benötigen.

Dieser Trafo kostet 281USD, was jetzt etwa auch 281€ entspricht.

Weiter zum Ausgangsübertrager :
Mercury Magnetis Webshop

Hier wird oft der O45RS-L gewünscht. Eben “original Radio Spares”.

Dieser OT kostet 281USD, was wieder etwa 281€ entspricht.

Die Siebdrossel :
Mercury Magnetics Drossel

Alle kosten gleich viel, haben die selben Spezifikationen und sind natürlich alle “orignal design”. ?

Diese MM Drossel kostet etwa 48€.

Bei meiner letzten MM Bestellung kostete mich der Versand dieser Menge Eisen etwa 64USD, also 64€.

Mercury Magnetic Preise

Summe :

PT 281€ + OT 281€ + Drossel 48€ + Versand 64€ = 674€

Dieses Paket wird zum Dresdner Zoll geliefert.

Ich setzte mich ins Auto und hole es dort ab, erledige den Papierkram und zahl die Einfuhrumsatzsteuer + Zoll.

674€ x 1,5% Zoll + EUSt 19% = 842€

Weil ich die anderen Trafos nicht einkaufen muß, kann ich 225€ von den 842€ abziehen = 617€.

Für den Aufwand der Bestellung, Anpassung der Verdrahtung des Amps, Bezahlung, Buchhaltung und Zollformalitäten berechne ich einen Mehraufwand von 3 Stunden, also 3×35€= 105€.

Mehrkosten Set Mercury Magnetics für einen JTM45 : 722€

Das JTM45 Topteil kostet jetzt also nicht mehr 1471€ (JTM45+PPIMV), sondern 2193€.

Das ist immer noch viel günstiger als der hand wired JTM45 bei Thomann, mit 2799€, aber der Unterschied zum Preis der vorher auf meiner Standard-Preisliste zu sehen war ist offenbar so groß, daß die Leute ohne Rückmeldung abspringen.

Das ist ihr gutes Recht und ich klage hier niemanden an.

WEBER Lauitsprecher im Super Reverb
Super Reverb mit WEBER Speakern und Mercury Magnetics Transformatoren

Mich würde es dennoch sehr freuen, wenn diesen Beitrag möglichst viele potentielle Amp-Käufer vor ihrer Anfrage nach einem Verstärker lesen würden.

Mit den Links oben im Beitrag kann man die ungefähren Kosten jetzt auch sehr gut selbst abschätzen.

Das Gleiche gilt auch für WEBER Lautsprecher. Auch hier kann man die Dollarpreise mit etwa 40€ Versandkosten addieren und diese Summe dann mit 1,19 multiplizieren. Das sind dann etwa die reinen Kosten.

 

9 Comments

  1. Ferdi



    Ich habe einen 18W TMB (es waren zwei, einen habe ich weiterverkauft), einen Princeton Reverb und einen JTM45 von dir (den du nach einem Trafoschaden komplett neu aufgebaut hast), außerdem hast du meinen Twin Reverb zur Hälfte neu aufgebaut (der hat übrigens auch einen Ausgangsübertrager vom TAD).
    Jeder dieser Amps klingt so gut, dass ich die Amps in den Musikgeschäften erst gar nicht anmachen brauche und ich wundere mich teilweise SEHR, dass Gitarristen, die besser sind als ich, mit soviel flacher klingenden Amps zufrieden sind. Zugegeben, der JTM45 hat Trafos von IG. Trotzdem oder gerade deshalb würde ich sagen, dass ich gut beurteilen kann, wie gut die Amps sind, die du aus den TAD-Bausätzen anfertigst. Ich gebe ihnen 12 von zehn Punkten.

  1. Uli



    ich habe mich schon lange nicht mehr von einem Artikel gleichzeitig so bestätigt gefühlt und so amüsiert – sehr pointiert geschrieben!

    “Leider” bin ich mit einem handwired Princeton Reverb derzeit gut versorgt, aber ein guter handverdrahteter JTM45 wird irgendwann dazu kommen …

    Uli

  1. FF



    Hallo,
    ich bin seit ein paar Wochen stolzer Besitzer eines Ritter Plexis (hab ihn gebraucht erworben) und vom Sound sehr beeindruckt. Ich höre keine nennenswerten Unterschiede zu meinem 76er Marshall. Ich “höre”, dass die AÜ’s von TAD wirklich top sind was die Reproduktion des “Plexi” Klangs angeht. Ich war am Anfang auch skeptisch, aber ich bin jetzt überzeugt.
    Kann also das oben geschriebene nur (nachdrücklich) bestätigen.
    Und den Amp jedem Plexi Fan empfehlen . . .



  1. Was für ein guter Kommentar! Ja, genau so ist es. Viel Voodoo und keiner weiß warum. Ich danke dir für Deine Mühe die du dir mit diesem Kommentar gemacht hast. Ich kenne diese Wünsche an Amp-Bauer nur zu gut und teile deine Meinung voll und ganz. Gerade das Thema Trafos ist in Europa nicht ganz so einfach zu lösen und manchmal bleibt als Kompromiss nur noch der Griff zu Hammond, wo ich die Auswahl und Qualität über alles schätze.

    Gerne würde ich diesen Kommentar auf Facebook verlinken. Darf ich?

    Gruß Germer von AMPWERK

    • Tilman



      Hallo Germer de Raad,

      vielen Dank für Deinen positiven Kommentar.
      Natürlich darfst Du den Beitrag verlinken :-).
      Viele Grüße !
      Tilman



  1. Ein sehr interessanter Post, den ich absolut nachvollziehen kann. Obwohl ich sagen muss, dass ich einen RI Tweed Bassman mit MM versehen habe und hier tatsächlich ein deutlich besserer Ton entstanden ist. Das wäre vermutlich auch mit einfach gut hergestellten Trafos passiert.
    Aber absolut unterschreiben kann ich das mit Weber Lautsprechern. Es sind tolle Lautsprecher. Keine Frage. Aber auch Weber wie MM kochen nur mit Wasser. In einem Blindtest mit absoluten Weber Freaks testete ich Weber gegen WGS in meinem 64er Super Reverb. Die Mehrheit fand am Ende die WGS besser, die einfach nur einen Bruchteil der Weber kosten. Spannend oder?
    Und du hast absolut Recht, dass Marshall und auch Fender nur eine Firma sind, die ihre Marge steigern will durch günstigen Einkauf.
    Also, ich kann es verstehen und danke für den Post

    Fabian



  1. Moin,
    was mußte ich eben lachen! Ein Kunde von mir hatte mich nach meiner Meinung zu Trafos, und auch zu MM gefragt, und ich habe ihm aus meiner Sicht der Dinge geantwortet. Ich habe einige Amps gebaut mit den verschiedensten Trafos, …. aber das nur am Rande. Meiner Antwort an den Kunden folgte eine Mail von ihm, mit dem Link zu dieser Seite. Warum ich so lachen mußte? Weil das hier die Super ausführlich Fassung ist von meiner Mail Antwort an ihn, die in kompakterer Form exakt, aber wirklich exakt das gleiche ausgesagt hatte. Danke für diesen vergnüglichen Start in das heute beginnende Wochenende. Grüsse, Acy, Acys Guitar Lounge. ?

  1. Bert



    Hallo,
    tatsächlich hat Manfred Zollner einen Versuchsaufbau mit einem Modularen Gitarrenverstärker aufgebaut. Man konnte sozusagen zwischen verschiedenen Tonestacks, Eingangsstufen, PIs, etc. hin und herschalten. Unter anderem Waren ca. ein halbes duzend AÜs dabei von unterschiedlichen Preisklassen. Ich war bei der Guitar Summit an dem Stand gestanden und habe selbst durchgeschalten. Ich habe quasi nur einen Unterschied gehört, als ein Trafo angewählt wurde, der nicht den normalen Specs entsprochen hat.

    Mein Fazit: sobald ein Trafo eine gewisse Qualität hat, erfüllt er seinen Zweck vollkommen. Ich habe bisher in meinen Bauten Hammond und Tube-Town Trafos eingebaut – alle Amps klingen geil. Mittlerweile ist das TT-Sortiment ganz gut. Einige Jahre habe ich das Angebot von Ingo Gorges vermisst.

    Ich glaube, über das GITEC-Forum ist die Doku für den Versuchsaufbau verfügbar.

    Viele Grüße
    Bert aus Stuttgart

  1. Max



    Schöner Artikel. Dass der aktuelle Marshall JTM45 “made in China” sein soll, ist aber Quatsch. Der Amp ist zwar nur zum Teil handverdrahtet (PCB), aber sehr ordentlich gemacht. Und zwar in England.

JTM45 Power Scaling

JTM45 Power Scaling

JTM45 Power Scaling

Heute geht es in die Tiefe. Es wird technisch und an ein paar Stellen sehr detailliert. Wer nur das Fazit lesen will, kann gern nach unten scrollen.

Worum geht’s bei Power Scaling?

Power Scaling ist die Suche nach einem alten Traum: den Lieblingsamp überall spielen – bei jeder Lautstärke, ohne den Charakter zu verlieren. Der Amp soll im Proberaum, auf der Bühne und zuhause gleich vertraut klingen. Geht das?

Ein kurzer Blick zurück

Früher waren Gitarrenverstärker meist einkanalig. Es gab keinen separaten Clean- und Zerrkanal, sondern einen Lautstärkeregler für den ganzen Amp. Das Ziel der Entwickler war ein sauberer Ton. Verzerrung war kein Selbstzweck – Country, Jazz und Swing setzen auch heute noch oft auf Clean.

Altes Magazin-Cover zu Röhrenverstärkern
Als Verstärker noch als reine „HiFi“-Werkzeuge gedacht waren.

Irgendwann wurde aufgedreht. Endstufen wurden an ihre Grenzen gefahren und begannen zu zerren. Viele fanden genau das gut. Der Haken: Der gewünschte Zerrsound entstand oft erst bei hohen Lautstärken.

Leistung, Raum, Lautstärke – das Problem

Jeder Amp hat eine maximale Leistung. Ein kleiner CHAMP liefert etwa 5 Watt. Ein Plexi100 liegt um 100 Watt, ein Marshall Major bei fast 200 Watt. Bassamps wie der Ampeg SVT gehen noch deutlich darüber.

Fender Champ Combo
CHAMP – ca. 5 W Maximalleistung.
Marshall Plexi 100 Topteil
PLEXI100 – um 100 W Maximalleistung.

Mit einem 5 W-Combo lässt sich auf der Veranda ein schön angezerrter Ton bei moderater Lautstärke spielen. Einen 100 W-Plexi in denselben Bereich zu bringen, ist sozial schwierig – oder führt zuverlässig zu leerer Veranda.

Die maximale Leistung bestimmt den Einsatzbereich stark. Mit dem 5 W-Amp wird es in der Rockband selten richtig clean. Mit 100 W wird’s auf kleiner Bühne schwierig, Endstufensättigung zu hören – wenn man den Zerranteil aus der Endstufe holen will.

Die Idee liegt auf der Hand: Wenn ich den 100 W-Amp auf Knopfdruck auf „5 W“ trimmen könnte – hätte ich dann denselben Ton wie im Proberaum, nur leiser? Kurz gesagt: ja, vom Charakter her. Druck und physisches Gefühl sind eine andere Sache.

Wie funktioniert das?

Mit Power Scaling. Damit lässt sich die Leistung der Endstufe reduzieren, ohne die Kennlinie der Röhren zu verbiegen. Der Zerrcharakter der Endstufe bleibt erhalten. Beim ÜBER JTM45 kann ich die Maximalleistung bis auf etwa 125 mW herunterregeln – weniger als ein Radiowecker.

Wichtig: Wenn wir von „gleichem Sound“ sprechen, meinen wir den Toncharakter, nicht denselben Bauchdruck bei 120 dB. Ein Küchenradio kann den Slash-Sound wiedergeben – nur ohne die Luftbewegung eines 4×12-Stacks. Genau so verhält es sich hier.

Technik: Was wird geregelt?

Die abgegebene Leistung hängt im Wesentlichen von drei Punkten ab:

  • Anodenspannung und maximal lieferbarer Strom des Netzteils,
  • Eigenschaften des Ausgangsübertragers,
  • Anzahl und Typ der Endröhren.

Im JTM45 (zwei KT66 im Push-Pull) ändern wir für das Power Scaling die Anodenspannung. Gleichzeitig werden Schirmgitterspannung (UG2) und Bias mitgeführt. Nur so bleibt der Arbeitspunkt stimmig. Lösungen, die nur an der Schirmgitterspannung drehen (z. B. VVR), verschieben den Arbeitspunkt stark – das klingt bei kleinen Leistungen wie ein anderer Amp. Das baue ich nicht ein.

Vereinfachtes Röhrendiagramm
Vereinfacht: Anode, Gitter, Schirmgitter und Bias bestimmen den Arbeitspunkt.

Die Regler: Power und Limit

JTM45 Power Scaling – Potis
Die beiden Potis für das Power Scaling am JTM45.

Power: regelt die Anodenspannung der Endröhren – und führt Schirmgitter- und Bias-Spannung mit. Beispiele:

Power voll auf: Ua ≈ 430 V, Ug2 ≈ 430 V, Bias ≈ −49 V → ca. 24 W clean.

Power voll zu: Ua ≈ 13 V, Ug2 ≈ 13 V, Bias ≈ −0,6 V → ca. 125 mW clean.

Was macht das Limit-Poti?

Im JTM45 sitzt das Limit-Poti zwischen EQ (Bass/Middle/Treble) und Phasendreher (PI). Es begrenzt den Pegel, der in die Endstufe geht. Drehe ich vorne das Volume für den „Band-Sound“ weit auf, reduziere ich bei kleinerer Endstufenleistung mit Limit den Vorstufenpegel auf das, was die Endstufe bei der gewählten Leistung „gerade so“ sauber kann. So bleibt der Zerrpunkt relativ gleich – unabhängig von der Gesamtleistung.

JTM45 – stark vereinfachtes Blockschema
Vereinfachter Signalweg im JTM45. Das Limit-Poti sitzt zwischen EQ und PI.

Ohne Limit-Poti würde das volle Vorstufensignal in eine künstlich „kleine“ Endstufe laufen – das säuft ab. Mit Limit dosieren wir den Pegel passend zur eingestellten Leistung. Je weiter die Leistung sinkt, desto empfindlicher reagiert die Endstufe auf zu viel Eingangssignal.

Beispiel-Einstellungen für Power und Limit
Beispiel-Einstellungen, mit denen ich dem „Band-Sound“ über viele Lautstärken sehr nahe komme.

Das eröffnet auch andere Klänge: Leistung reduzieren und Limit weit aufdrehen – die Endstufe clippt hart, der JTM45 wird zur Fuzz-Box.

Warum kein PPIMV als „Limit“?

Ein PPIMV sitzt nach dem Phasendreher und begrenzt dort den Pegel in die Endstufe. Das könnte den Anteil eines hart gefahrenen PI erhalten. Ich lasse es trotzdem:

  1. Im JTM45 zerrt die Endstufe deutlich vor dem PI. Dessen Zerranteil geht im Gesamtsound unter.
  2. PPIMV greift in den Feedback-Loop ein. Das Presence-Poti verliert bei kleiner Leistung schnell seine Wirkung. Für mich klanglich zu wichtig, um es „stillzulegen“.

Außerdem hat PPIMV nichts mit echter Leistungsreduzierung zu tun. Es ist eher ein Weg, Vorstufen- und PI-Zerre leiser zu fahren, während die Endstufe relativ clean bleibt. Ein anderer Ansatz – klanglich nicht dasselbe wie Endstufensättigung.

Fazit

Power Scaling funktioniert. Ein JTM45 lässt sich auf die Lautstärke eines 18-Watt-Amps bringen, ohne seinen Charakter zu verlieren. Auch „Bedroom Level“ ist machbar – ob das sinnvoll ist, muss jeder selbst entscheiden.

Was bei sehr kleinen Lautstärken fehlt, ist der „Druck“. Zwei Gründe:

  1. Unser Gehör arbeitet bei niedrigen Pegeln anders (Stichwort Fletcher–Munson).
  2. Lautsprecher tragen bei großen Auslenkungen selbst zur Verzerrung bei. Bei Mini-Leistungen bewegen sie sich kaum – das klingt anders.

Praxis: Für sehr leise Situationen wähle ich gern einen Lautsprecher mit geringerer Belastbarkeit, damit er sich bei kleiner Leistung überhaupt bewegt.

Meine persönliche Lösung bleibt trotzdem simpel: Mehrere Amps – kleine und große. Den Rest erledigen Pedale.


JTM45 Test – das Finale !

JTM45 Test – das Finale !

Es ist endlich soweit: Der Tag ist gekommen – der ÜBER JTM45 wird zum Leben erweckt.

Die Leser der vorherigen Bauberichte fragen sich sicher:

Was ist passiert?
Ist die Kiste beim ersten Einschalten explodiert?
Warum kam so lange kein Update?

Dafür gibt es zwei Gründe:

  1. Praxiszeit: Ich wollte erst etwas Einsatzzeit verstreichen lassen.
    Es wäre wenig sinnvoll, direkt zu schreiben, wie wunderbar alles ist –
    nur um dann festzustellen, dass es in der Praxis doch anders aussieht.
  2. Zeitmangel: Ich arbeite schon an einem neuen Plexi 100,
    der noch aufwendiger wird als der JTM45.
    Außerdem nimmt meine Arbeit bei KPA-Solutions immer mehr Raum ein.

Übrigens: Es gibt jetzt auch einen neuen
Webshop für die Camplifier.
Wenn Ihr Euch für Lösungen für den Kemper Profiling Amp oder andere Modeler interessiert – schaut mal vorbei!

Erste Inbetriebnahme

Zurück zum JTM45-Test.
Ich habe zunächst alle Verbindungen doppelt und dreifach überprüft,
dann einen guten Satz JJ-Röhren + TT Blackplates eingesetzt – und die Kiste zum Leben erweckt.

JTM45 JJ Tubes
Der ÜBER JTM45 – erste Inbetriebnahme mit JJ-Röhren und TT Blackplates.

Die Inbetriebnahme verlief völlig problemlos – fast schon verdächtig reibungslos.

Der Aufwand bei der Masseführung und den Entkoppelungen der einzelnen Röhrenstufen
hat sich absolut gelohnt: Einen leiseren JTM45 habe ich noch nie gehört.
Kein Brummen, kein Grundrauschen – einfach Ruhe im Karton.

Auch die rauscharmen Widerstände im Eingangsbereich wirken.
Klar, der Bright-Kanal rauscht, aber deutlich weniger als bei Kohlepress- oder Kohlefilm-Widerständen.

Note: 1 für Nebengeräusche (Rauschen + Brummen)

Die ersten gespielten Töne bestätigten meine Hoffnungen:
Der Amp klingt aufgeräumter, klarer und definierter als seine Kollegen.

Warum?
Ich habe alle Röhrenstufen voneinander entkoppelt und feinste Bauteile verwendet.
Beim Standard-JTM45 hängen fast alle Stufen an einer gemeinsamen Spannungsquelle.
Wenn eine Röhre zickt, sackt die Spannung bei allen anderen mit ab –
das Ergebnis: matschig und undefiniert.

Beim ÜBER JTM45 hat jede Stufe ihren eigenen Spannungspuffer und arbeitet sauber für sich.
Luxus pur – und das hört man.

Note: 1 für Klangklarheit und Definition

ÜBER JTM45 vs. klassischer JTM45

Christian Konrad
Gitarrist Christian Konrad

Natürlich bin ich voreingenommen – schließlich habe ich unzählige Stunden mit dem Amp verbracht.
Darum habe ich mich mit Christian Konrad in seinem Proberaum getroffen.
Christian hat sämtliche Sound-Samples für meine Website eingespielt – ein echter Profi.

Wir haben seinen handverdrahteten JTM 45 mit meinem ÜBER JTM45 verglichen.
Testumgebung: sein Proberaum, seine Gitarre, seine 4×12-Box.

Die Eindrücke aus meiner Werkstatt bestätigten sich sofort:
Christians JTM 45 klingt gut – aber meiner klingt spritziger, offener, klarer und transparenter.

Auch Christian war beeindruckt und meinte, die Power-Scaling-Funktion sei
„viel nützlicher als das Master-Volume meines JTM 45“.

Ich bat ihn, seinen Lieblings-Crunchsound einzustellen, ohne auf Lautstärke zu achten.
Dann habe ich mit Limit und Power Potis die Lautstärke reduziert –
der Sound blieb praktisch unverändert.
Note: 1 für Power Scaling Funktion!

JTM45 Test im Proberaum
Im Proberaum mit Christian Konrad.

Zurück in der Werkstatt habe ich den Amp weiter getestet,
vor allem die Power-Scaling-Funktion – dazu folgt später ein eigener Bericht.

Mittlerweile steht der ÜBER JTM45 bei Jan, seinem neuen Besitzer.
Jan ist begeistert – und hat mir die lange Wartezeit verziehen. Danke, Jan!

Der ÜBER JTM45 im neuen Zuhause

Fazit

Etwa 1½ Wochen Planung, Aufbau und Inbetriebnahme – und das Ergebnis kann sich hören lassen.

Wenn ich noch einmal einen exklusiven JTM 45 bauen sollte,
würde ich ihn genau so konstruieren – nur beim Power Scaling würde ich zweimal nachdenken.
Nicht, weil es nicht funktioniert (es tut exakt, was es soll),
sondern weil ich denselben Effekt live mit Pedalen ebenfalls gut erreiche.
Im Studio darf’s eh laut sein – da drehe ich einfach auf, bis der Sound passt.

JTM45 im Einsatz
In vornehmer Gesellschaft – der ÜBER JTM45 bei seinem Besitzer.

Der Reiz des Power Scaling liegt darin,
dass der komplette Klang ausschließlich im Röhrenamp entsteht – die „reine Lehre“.
Für Puristen ein starkes Argument – ich selbst bin da etwas pragmatischer.

Insgesamt war dieses Projekt äußerst lehrreich – und eine Menge Spaß.

Hier geht’s zu
Teil I,
Teil II,
Teil III und
Teil IV
des Bauberichts.

JTM45 Power Scaling – Teil IV

JTM45 Power Scaling – Teil IV

Das JTM45 Power Scaling ist endlich komplett aufgebaut und verdrahtet.

So ein verregnetes Wochenende hat eben auch seine Vorteile.

Wenn ich nichts übersehen habe, fehlt nun kein einziger Draht mehr.
Durch den begrenzten Platz im Chassis und die vielen zusätzlichen Baugruppen (gegenüber einem Standard-JTM45) sieht die interne Verdrahtung zwar nicht ganz so „neat“ aus, wie ich es von mir gewohnt bin 😉 – aber ich finde, das Ergebnis kann sich trotzdem sehen lassen.

JTM45 fertig verdrahtet
Der ÜBER JTM45 – vollständig verdrahtet, bereit für die Inbetriebnahme.

Insgesamt habe ich jetzt rund 41 Stunden an diesem Verstärker gearbeitet – also etwa eine komplette Woche.
Das ist viel – und das ist es auch.
An einem normalen JTM45 arbeite ich etwa zwei Tage, dann läuft er.
Bei diesem Kollegen hier steht die Inbetriebnahme aber noch bevor.

Ich bin zuversichtlich.
Das Ganze ist zwar aufwändiger als ein „08/15-JTM45“, aber keine Raketenwissenschaft 😉

Ein paar Worte zum JTM45 Power Scaling

Ich bin wirklich gespannt, wie ein JTM45 mit Power Scaling klingt.
Theoretisch sollte sich der Sound eines aufgedrehten JTM45 auch bei deutlich geringeren Lautstärken recht authentisch einstellen lassen.
Ganz wird das nie funktionieren – unsere Ohren haben schließlich keine Potis …
Bei geringeren Lautstärken nehmen wir Höhen und Bässe anders wahr.
Hi-Fi-Verstärker kompensieren das über die bekannte Loudness-Taste, die Bässe und Höhen anhebt.

Beim JTM45 lässt sich das manuell über die EQ-Regler ausgleichen.
Was sich allerdings nicht kompensieren lässt, ist das geänderte Verhalten der Lautsprecher bei niedrigen Leistungen.
Das Zusammenspiel von Schwingspule, Membran und Aufhängung reagiert bei kleinen Auslenkungen eben anders als bei großen –
ein Speaker klingt bei Schlafzimmerlautstärke schlicht anders als auf der Bühne.

Wie dem auch sei – das Power Scaling ist die wohl ausgefeilteste Methode,
einen Röhrenverstärker in seiner Leistung zu drosseln, ohne seinen Charakter zu verlieren.
Das „Power“-Poti reduziert (bzw. steuert gemeinsam) die Anoden-, Schirmgitter- und Bias-Spannung der Endröhren.
Die Endstufe liefert dadurch wirklich weniger Leistung und zerrt bereits bei geringeren Pegeln.
Der typische Endstufen-Overdrive wird also lautstärkemäßig „nach unten verschoben“.

Gleichzeitig bleibt der Sound der Vorstufe praktisch unangetastet – wichtig,
denn auch die Stellung von Volume- und EQ-Reglern prägt den Klangcharakter.
Das kräftige Signal der Vorstufe trifft nun auf die in ihrer Leistung gedrosselte Endstufe.
Damit diese nicht übersteuert wird, reduziert das „Limit“-Poti den Pegel des Vorstufensignals.

Beide Regler – Power und Limit – müssen meist gemeinsam angepasst werden.
Das ist aber kein Dogma:
Man kann der reduzierten Endstufe bewusst etwas mehr Signal gönnen und sie dadurch noch stärker verzerren lassen.

Diese beiden Potis erweitern die Flexibilität des JTM45 enorm.
Man kann zum Beispiel die Vorstufe mit einem Booster überfahren,
den Signalpegel zur Endstufe begrenzen und die Endstufe voll aufdrehen.
Solche Kombinationen sind mit einem Standard-JTM45 schlicht nicht möglich.

JTM45 Power Scaling
Das Herzstück: die Power-Scaling-Sektion mit Limit- und Power-Reglern.

Morgen geht’s endlich los – die Röhren werden glühen …

Hier geht’s zu
Teil I,
Teil II und
Teil III
des Bauberichts.

JTM45 Board – Teil III

JTM45 Board – Teil III

Heute steht das JTM45 Board auf dem Programm.

Zunächst habe ich die Basis des Verstärkers verdrahtet und montiert.
Dazu gehören:

  • die Röhrenheizungen
  • die Netzversorgungsseite des Netztrafos
  • die Sekundärseite des Trafos
  • die Gleichrichterröhre
  • Power-Schalter
  • Standby-Schalter
  • Röhrensockel der Endstufenröhren

Zusätzlich zum normalen JTM45 kommen hier noch die Bias-Platine und das Power-Scaling-System hinzu.

Im Moment sieht das Ganze noch etwas unfertig und chaotisch aus – aber das wird. Keine Sorge.

JTM45 Chassis offen
Der aktuelle Stand – die Basisverdrahtung ist abgeschlossen.

Jetzt hat der Amp einen Zustand erreicht, bei dem ich mein Gehirn endlich etwas auf Auto-Pilot schalten kann.
Was jetzt folgt, unterscheidet sich nicht groß von jeder anderen JTM45-Montage.

Das JTM45 Board

JTM45 Board
Das bestückte Board – die gelben Kondensatoren sind SoZo Mustards.

Bis auf die SoZo Mustard-Kondensatoren unterscheidet sich das Board kaum von einem Standard-JTM45-Layout.
Ganz links habe ich einige zusätzliche Bauteile vorgesehen, um die Röhrenheizung auf ein höheres Spannungspotential (etwa 60 V) zu legen.
Das bringt zwei Vorteile:

  1. Das Heizungsbrummen verringert sich.
  2. Die Röhren werden näher an ihren Spezifikationen betrieben – besonders die Katodenfolger-Stufe, die das Tone-Stack treibt.

Der Spieler merkt davon später nichts, aber bestimmte Röhrentypen (z. B. einige von Electro Harmonix oder Sovtek) reagieren empfindlich auf zu geringe Heizspannungspotentiale.
Das Hochlegen der Heizung verhindert solche Probleme von vornherein.

Vergleich: Standard JTM45 vs. ÜBER JTM45

JTM45 Standard und Über
Oben: Standard JTM45 – unten: der neue ÜBER JTM45. Trotz zusätzlicher Schaltung kaum mehr Platz.

Beim Standard JTM45 (oben) fehlen hier noch die großen Siebelkos,
aber man sieht deutlich: auch dort ist schon mehr Platz als in meiner neuen Version.

Der nächste Schritt wird sein, das Turret-Board ins Chassis einzusetzen und zu allen Bauteilen,
wie Röhrensockeln und Potentiometern, zu verdrahten.

Wenn alles weiter so läuft, wird das wohl der vorletzte Baubericht dieser Serie.
Der spannendste Teil kommt erst noch – die Inbetriebnahme und der Test.

Ick bin jespannt!

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Teil I
und
Teil II
des Bauberichts.

JTM45 – Deluxe – Teil I

JTM45 – Deluxe – Teil I

Ich habe in den letzten Wochen Tag und Nacht gearbeitet, um alle offenen Reparaturen aus meiner Werkstatt abzuarbeiten.

In den kommenden Tagen gibt es nur noch ein Ziel: den ÜBER JTM45!

Aufgabe

Ein JTM45 vom Feinsten – so, wie er schon immer hätte gebaut werden sollen.

  • bestmögliche Komponenten in allen Bereichen
  • IGPW-Trafos (für mich: die besten Trafos, die man kaufen kann)
  • SoZo Mustard Caps Kondensatoren
  • Bias-Potis und Messpunkte für jede Röhre
  • Power Scaling

Das klingt zunächst machbar – doch das Chassis eines JTM45 ist klein.
Um alles sauber und funktionierend unterzubringen, braucht es Planung und etwas Geduld.

Die nächsten Tage werde ich also mit meinem neuen Freund, dem JTM45 Deluxe, verbringen.
Der zukünftige Besitzer wartet schon lange auf diesen Amp – ab jetzt bekommt er (und ihr) regelmäßig Updates zum Baufortschritt.

Und da ich diesen Blog ja gerade erst gestartet habe – warum die Updates nicht gleich hier veröffentlichen?
Vielleicht interessiert sich ja noch jemand dafür, wie aus einer Kiste voller Bauteile ein spielbarer Luxusverstärker wird.

Baubericht JTM45 Deluxe

Materialbeschaffung

Alle nötigen Teile habe ich hier bestellt:

  • Tube Town – Röhren, Schalter, Turret Board, Drehknöpfe, Buchsen, SoZo-Kondensatoren
  • Tube Amp Doctor – Chassis, Topteil-Cabinet, Front- und Rückblenden, Pilot Light
  • IGPW – Ausgangsübertrager, Netztrafo, Drossel
  • London Power – Power Scaling und Bias Supply

Ich dachte ursprünglich, dass ich am längsten auf die IGPW-Trafos warten müsste – kleine deutsche Trafo-Schmiede, alles Handarbeit.
Aber nein: Die längste Reise hatten die Teile von London Power – knapp zweieinhalb Monate.
Da war wohl jemand mit dem Kanu von Kanada bis Dresden unterwegs …

Nun ist endlich alles da, also: Zeit für den Überblick über das Chassis und die Platzverhältnisse.

Erste Grobplanung der Bauteilplatzierung

JTM45 Chassis Übersicht
Das leere JTM45-Chassis – noch viel zu tun.

Viel Platz ist nicht – aber es müsste gehen.
Die Messbuchsen für die Bias-Einstellung fehlen hier noch, ebenso einige Schutzbauteile vor der Gleichrichterröhre.
Doch insgesamt sieht es machbar aus.

Die Rückblende werde ich neu anfertigen: Der Impedanzwahlschalter und die Speakerbuchsen wandern weiter nach links,
um Platz für das Limit- und Scaling-Poti zu schaffen.
Beide sollen natürlich auch ordentlich beschriftet werden.

Um innen Platz zu gewinnen, habe ich einen stehenden Netztrafo von IGPW bestellt.
Er ragt nicht ins Chassis hinein, sodass die Bias-Platine bequem im Inneren untergebracht werden kann.

JTM45 Chassis mit Blech
Das neue Blech stabilisiert den stehenden Netztrafo und deckt das Chassisloch ab.
JTM45 Chassis mit Trafos
So sieht das Ganze mit montierten Trafos aus.

Ganz links sitzt der Netztrafo, dann folgt der Ausgangsübertrager, rechts daneben die Siebdrossel.

Der Netztrafo im JTM45 sitzt traditionell sehr nahe am Ausgangsübertrager – das kann leicht zu Einstreuungen und Brummen führen.
Deshalb verdreht man beide Trafos zueinander um 90°, um die magnetische Kopplung zu minimieren.

Die Siebdrossel glättet die Hochspannung für die Röhren – sie trägt also direkt zur Brummunterdrückung bei.

Ideal wäre eine komplett getrennte Platzierung von Netztrafo und Übertrager,
aber das würde wiederum Einstreuungen in die ersten Verstärkerstufen begünstigen.
Es bleibt also ein Balanceakt – und genau das macht solche alten Designs so spannend.

Auch das JTM45-Chassis ist insgesamt etwas unterdimensioniert.
Selbst ohne Power Scaling und Bias-Messung wäre es eng.
Für den Erbauer ist das eine Herausforderung – für den Musiker später ein Segen:
Das Topteil ist handlich, kaum größer als ein 18-Watt-Amp, und macht trotzdem mächtig Lärm.

Wenn ihr Lust habt, schaut ab und zu vorbei und verfolgt den Werdegang dieses „ÜBER JTM45“ von der Bauteilkiste zum fertigen Amp.
Unterwegs werde ich auch erklären, wie das Power Scaling funktioniert und wozu man das Limit-Poti braucht.

Hier geht’s weiter zu Teil II des Bauberichts.